Der Vergleich als Mittel zur Streitbeilegung

Dr. Matthias Brandi-Dohrn

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Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich nur mit einem Teilaspekt des Themas und nicht mit dem Inhalt, der wahren Kunst des Vergleiches, flexibel auf die Situation zu reagieren, ausgewogen zu geben und zu nehmen, positiv zukunftsträchtige Geschäfte miteinzubinden oder das Fingerspitzengefühl, dem Anderen einen gesichtswahrenden Rückzug zu gestatten. Dies alles üben und beherrschen die Praktiker in der Industrie erfahrungsgemäß im allgemeinen besser als die Rechtsanwälte. Der Rechtsanwalt kann nur ein paar rechtliche, gewissermaßen technische Randbedingungen beitragen.

I. Gesetzliche Regelung

Der Vergleich, ein Rechtsgebilde von breiter, praktischer Regelungskraft, ist im Gesetz nur äußerst spärlich geregelt.

§ 779 BGB regelt, daß ein Vergleich unwirksam ist, wenn seine Geschäftsgrundlage fehlte, und definiert nebenbei den Vergleich als "einen Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich)".

§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sagt dann, daß bestimmte gerichtliche Vergleiche Vollstreckungstitel wie Urteile sind, nämlich "Vergleiche, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teils des Streitgegenstands vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind.

Dann gibt es noch in § 98 ZPO die Regel, daß die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen sind, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben.

Und schließlich bestimmt § 23 BRAGO, daß der Anwalt für die Mitwirkung beim Abschluß eines Vergleichs eine volle Gebühr, die Vergleichsgebühr, erhält.

Das ist im wesentlichen alles.

II. Der Vergleich im Verfahrensrecht

Aus dem Nebeneinanderbestehen von § 779 BGB generell und § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Besonderen ergibt sich schon, was auch ständige Praxis ist, daß es sowohl gerichtliche wie auch außergerichtliche Vergleiche gibt. Hier wollen wir uns vorwiegend den ersteren zuwenden.

1. Der Vergleich im Streitverfahren vor dem ordentlichen Gericht

a) Vergleichsfreiheit

Einer der Grundsätze, die das ZPO-Verfahren beherrschen, ist die sogenannte Dispositionsmaxime. Die Dispositionsmaxime besagt, daß die Parteien über den Streitgegenstand verfügungsbefugt sind. Nimmt der Kläger die Klage zurück, so muß das Verfahren aufhören. Anerkennt der Beklagte, so muß ohne weitere Prüfung auf Antrag des Klägers Anerkenntnisurteil ergehen; erklären beide Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt, so ist der Rechtsstreit erledigt, auch wenn der Richter darüber anderer Auffassung ist. Ausfluß dieser Verfügungsfreiheit ist auch die völlige Vergleichsfreiheit der Parteien im ordentlichen Verfahren bis zu der zivilrechtlichen Grenze, daß ihr Vergleich als Vertrag weder sittenwidrig noch gesetzlich verboten sein darf und daß sie überhaupt über das Recht, worüber sie streiten, verfügungsbefugt sind. In dieser Begrenzung wird der Rechtssatz aus Rechtsprechung und Lehre wirksam, daß der gerichtliche Vergleich eine Doppelnatur hat: Er ist privatrechtlicher Vertrag und gleichzeitig Prozeßhandlung, Prozeßhandlung insofern, als er das Verfahren beendet. Das hat zur Folge, daß bei Unwirksamkeit des Vergleichs auch die prozeßbeendende Wirkung in Wirklichkeit nicht eingetreten ist. Das alte Verfahren wird weitergeführt und in dem alten Verfahren muß über die Wirksamkeit des Vergleichs entschieden werden.

b) Bedingte Vergleiche

Ganz häufig werden sogenannte bedingte Vergleiche geschlossen. Das heißt Vergleiche, die die Klausel erhalten: "Dieser Vergleich wird erst wirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch Schriftsatz, der bei Gericht bis zum ... eingehen muß, widerrufen wird." Der praktische Grund für solche widerruflichen Vergleiche ist der, daß die Stellungnahme des Gerichts einen Vergleich zwar als sinnvoll erscheinen läßt, der Anwalt aber seine Partei nicht rechtzeitig erreichen kann oder der mitgekommene Sachbearbeiter der Partei noch die Zustimmung eines Vorgesetzten braucht. Die Widerrufsfrist gibt Gelegenheit zur internen Abstimmung. Die Widerrufsmöglichkeit ist weder ein vorbehaltenes Rücktrittsrecht zu einem schon abgeschlossenen Vergleichsvertrag noch auflösende Bedingung. Der widerrufliche Vergleich stellt vielmehr einen aufschiebend bedingten Vergleichsvertrag dar, der erst zustande kommt, wenn die Widerrufsfrist ungenutzt verstreicht.

c) Beiderseitiges Nachgeben

Daß der Vergleich Vollstreckungstitel sein kann, spielt bei der Mehrzahl der Vergleiche keine Rolle. Die Freiwilligkeit des Abschlußes geht regelmäßig einher mit freiwilliger Erfüllungsbereitschaft. Anders kann es jedoch sein bei Vergleichen, die zähneknirschend geschlossen werden.

Vergleich und Nicht-Vergleich mag folgender Fall illustrieren: Zwei bitter verfeindete Konkurrenten stritten sich über eine zweifelhafte Warenzeichenverletzung. Das Gericht gab bei der Einführung in den Sach- und Streitstand zu Beginn der Verhandlung unzweideutig zu erkennen, daß es die Warenzeichenverletzung bejahe, und stellte die Frage, ob der Fall nicht sinnvoll durch einen Unterlassungsvergleich mit Aufbrauchsfrist und Verzicht auf Schadensersatzansprüche geregelt werden könne. Der Kläger war dazu bereit, verlangte aber zu der Unterlassungsverpflichtung eine hohe Vertragsstrafe. Der Gegner lehnte eine an seinen Konkurrenten zu zahlende Vertragsstrafe strikt ab. Vertragsstrafe ans Rote Kreuz, dazu wäre er bereit, aber niemals an seinen Konkurrenten. Daraufhin erklärte der Anwalt der klagenden Partei, der Vergleich solle an der Frage nicht scheitern, und es wurde der Vergleich ohne jede Vertragsstrafe protokolliert. Im Anschluß an die Protokollierung stellte der Anwalt der klagenden Partei Antrag, den Vergleich mit einer gerichtlichen Strafandrohung nach § 890 ZPO zu versehen. Das Gericht hat diese Strafandrohung durch Beschluß ausgesprochen, wie es § 891 ZPO vorsieht. Die Strafandrohung war möglich, weil es sich um einen gerichtlich protokollierten Vergleich handelte, der nach § 794 (1) Nr. 1 ZPO Vollstrekungstitel ist. Ein außergerichtlicher Vergleich wäre das nicht gewesen. Er hätte die Parteien verpflichtet, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären, aber er wäre einer gerichtlichen Strafandrohung nicht zugänglich gewesen. Die zwischen den Parteien ausgemachte Vertragsstrafe ist auch nicht das gleiche wie die gerichtliche Strafandrohung. Die Vertragsstrafe fließt dem Gläubiger, das angedrohte Ordnungsgeld dem Fiskus zu.

Voraussetzung für die Kette: Strafandrohung (§ 890 ZPO), Titel (§ 894 (1) Nr. 1 ZPO) ist die Erweiterung um ein weiteres Glied: Vergleich durch gegenseitiges Nachgeben (§ 779 BGB). Wäre Schadensersatzfeststellung nicht begehrt und damit auch nicht vergleichsbedürftig geworden, sondern wäre nur Unterlassung geltend gemacht worden, und hätte der Gegner sich zu einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe an seinen Konkurrenten bereitgefunden, so hätte er alles getan, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Der Beklagte erbringt alles, der Zeicheninhaber überhaupt kein vergleichsweises Nachgeben. Obwohl die strafbewehrte Unterlassungserklärung zu Protokoll des Gerichts abgegeben ist, liegt kein Vergleich vor und damit auch kein Vollstrekungstitel. Eine gerichtliche Strafandrohung kommt bei dieser Abwandlung nicht in Betracht. Wichtig ist, daß diese Fälle der reinen Unterwerfung auch unterschiedliche Kostenfolgen haben.

Die Erörterung von unterschiedlichen Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten des gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichs führt leicht zu einer Überbetonung der Sanktionen. Der Verletzer muß zwar zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr zu einer Vertragsstrafe bereit sein. Aber in der Rolle des Gläubigers soll man sich in jedem Fall überlegen, ob man nicht zur Entkrampfung des Verhältnisses darauf auch verzichten kann. Auch eine nicht strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung ist immerhin ein zusätzlicher vertraglicher Unterlassungstitel neben dem Schutzrecht. Bei einem neuen Verstoß kann aus zwei Rechtsgrundlagen vorgegangen werden, so daß der Titel mit Strafandrohung hier im Wiederholungsfall kommt.

2. Der Vergleich im patentamtlichen und patentgerichtlichen Verfahren

Die Vergleichsprobleme stellen sich in den kontradiktorischen Verfahren, also Wz-Widerspruchsverfahren, Einspruchsverfahren, Nichtigkeitsverfahren und Gabrauchsmusterlöschungsverfahren.

a) Vergleich im Wz-Widerspruchsverfahren, Patentnichtigkeits- und Gebrauchsmusterlöschungsverfahren

In diesen Verfahren besteht weitgehend der gleiche Dispositionsgrundsatz wie im ZPO-Verfahren. Die Verfahren enden, wenn Löschungsantrag, Nichtigkeitsklage bzw. Widerspruch zurückgenommen werden. Daher ist es gängige Praxis, daß bei den Nichtigkeitssenaten zu Beginn der Verhandlung die Vergleichsfrage gestellt wird. Es ist gut, wenn sich die Parteien und ihre Vertreter zuvor darauf eingestellt und die Vergleichsmöglichkeiten vorbedacht haben.

In Betracht kommt bevorzugt ein Lizenzvergleich mit einer Pauschalauskunft und Abgeltung für die Vergangenheit. Beides, Lizenz und Pauschalzahlung wird regelmäßig mit einem Risikoabschlag für ungesicherten Verfahrensausgang vereinbart. Diskussionsstoff und daher vorweg zu eruieren ist meist die Ausgangsgröße, der angemessene Lizenzsatz, und die Frage, ob es vergleichbare Lizenzen gibt.

In Betracht kommen aber auch andere kaufmännische Lösungen: Beispielsweise Gegenlizenz an anderen Schutzrechten oder Bezug vom anderen. Bei letzterem muß man aber aufpassen, daß man die Zukunft nicht unübersehbar mit langfristigen oder gar unbegrenzten Bezugsverpflichtungen belastet, wie es z.B. der Fall war in einem Warenzeichenwiderspruchsvergleich, in dem das jüngere Warenzeichen gegen Bezug vom älteren Widersprechenden gestattet wurde.

Die hier wie im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht bestehende Vergleichsfreiheit hat in beiden Verfahrensarten eine Grenze, die sich in den patentgerichtlichen Verfahren eher zeigt: Die Parteien können das hoheitlich erteilte Schutzrecht nicht privat mit Wirkung gegen die Allgemeinheit ändern. Der Vergleichsgegenstand ist insoweit ihrer Verfügungsgewalt entzogen. Die Parteien können sich aber dahin einigen, daß der Schutzrechtsinhaber sein Schutzrecht nur noch beschränkt verteidigt und der Kläger seinen Nichtigkeitsantrag auf den Überschuß beschränkt. Dann hat das Gericht nur noch zu prüfen, ob die Beschränkung tatsächlich eine zulässige ist, nicht mehr hingegen, ob der verbliebene Rest schutzfähig ist. Ist die die verteidigte Fassung tatsächlich eine Beschränkung, so muß es nach den übereinstimmenden Anträgen im Sinne der Beschränkung entscheiden. Die Parteien können sich auch schuldrechtlich untereinander dahin einigen, daß der Schutzrechtsinhaber sein Schutzrecht nur noch in einem bestimmten Sinne geltend macht, während der Kläger demgegenüber die Klage zurücknimmt. Das sieht dann - hier am Beispiel eines Gebrauchsmusterlöschungsantrags - im Vergleich folgendermaßen aus:

(1) Die Antragsgegnerin verzichtet gegenüber der Antragstellerin auf alle Ansprüche aus dem Gebrauchsmuster xxx, soweit das Gebrauchsmuster über folgende Schutzansprüche hinausgeht ...

(2) Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin erklären das Löschungsverfahren übereinstimmend für erledigt.

(3) Kostenregelung.

b) Einspruchsverfahren

Schwierig ist die Situation im Einspruchsverfahren, denn hier gilt der Dispositionsgrundsatz nicht: Trotz Rücknahme des Einspruchs wird von Amts wegen weiter geprüft - § 61 (1) Satz 2 PatG; R. 60 (2) 2 AO-EPÜ.

aa) Dem Vernehmen nach schließen Industriepraktiker in dieser Situation außeramtliche Einspruchsvergleiche, indem sie wie folgt verfahren: Es wird einstweilen mit dem zweitbesten Material Einspruch eingelegt. Das bessere Material schickt der Industriepraktiker dem Patentinhaber außerhalb des Verfahrens mit dem Vorschlag einer freien oder niedrigen Lizenz gegen Rücknahme des Einspruchs. Kommt der Vertrag zustande, so wird entsprechend der Einspruch zurückgenommen und dem Patentamt wird die anhand des vorgelegten Materials zutreffende Entscheidung überlassen, das Patent aufrechtzuerhalten.

Dieses Verfahren hat natürlich ein Verspätungsproblem. Neue Tatsachen nach der Einspruchsfrist muß das Patentamt nicht berücksichtigen. Es berücksichtigt sie nur nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist die Praxis des DPA weitherzig bei weiteren druckschriftlichen Entgegenhaltungen, aber ganz restriktiv bei nachgebrachter offenkundiger Vorbenutzung. Das EPA berücksichtigt nachgereichte hochrelevante Dokumente, aber unter Umständen mit Kostenfolge für den verspäteten Einreicher. Das Arbeiten mit einem "gespaltenen" Stand der Technik erscheint also möglich, aber mit gewissen Kostennachteilen belastet.

bb) Schwieriger ist es, wenn sich die Parteien in einem intensiv mit Vorlage allen Materials geführten Einspruchsverfahren vergleichen wollen. Mit dieser Situation hatte sich das Bundespatentgericht in Vorbenutzungsfällen zu befassen: Es war Einspruch erhoben worden wegen offenkundiger Vorbenutzung mit eidesstattlicher Erklärung von Zeugen dazu. Danach einigten sich Patentinhaber und Einsprechender. Demzufolge nahm der Einsprechende seinen Einspruch zurück. Das Bundespatentgericht hat in diesen Fällen die Vergleichsregelung über die sogenannte Mitwirkungspflichte honoriert. Es hat wegen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes eidesstattliche Erklärungen mit Recht für nicht ausreichend erachtet. Die Beweisaufnahme selbst durchzuführen sei aber trotz der Amtsermittlungspflicht für das Gericht nicht mehr veranlaßt, weil sich die Parteien durch Rücknahme des Einspruchs ihrer Mitwirkungspflicht entzögen. Das EPA ist freier. Es kann nach R. 60 (2) das Einspruchsverfahren von Amts wegen fortsetzen, d.h: es muß es nicht. Nach den Richtlinien soll es fortsetzen, wenn die Sache ohne aufwendige eigene Ermittlungen entscheidungsreif ist. Das ist sie jedenfalls dann, das heißt, dann ist auch kein Vergleich mehr möglich, wenn eine Änderungsmitteilung nach Regel 58 (4) AO-EPÜ ergangen ist. Bei strittiger Vorbenutzung honoriert aber auch das EPA den Vergleich, indem es Amtsermittlungen wegen fehlender Mitwirkung einstellt.

3. Kartellrechtliche Grenzen des Vergleichs

Schutzrechte sind Monopole und Monopole liegen von Haus aus in der Reichweite des Kartellrechts. Ein kartellrechtswidriger Vertrag verstößt gegen die gesetzlichen Verbote, die im GWB oder EWG-Vertrag normiert sind und ist daher nach § 134 BGB nichtig.

Würden sich also zwei Parteien in einem Verletzungsstreit über einen unvertretbar breiten Schutzrechtsinhalt schuldrechtlich einigen verbunden mit einer ausschließlichen Gebietslizenz, dann ist das in Wirklichkeit eine kartellrechtswidrige und nichtige Gebietsaufteilung.

Würde man aber umgekehrt die Kartellrechtsprüfung bei jedem Vergleichsvertrag minutiös durchführen, so würde man gerade im gewerblichen Rechtsschutz Vergleiche in weiten Bereichen unmöglich machen. Die deutsche Rechtsprechung hat daher seit eh und je ein "Vergleichsprivileg" anerkannt: Vergleiche sind dann kartellrechtlich exempt, wenn sich die Parteien innerhalb der Grenzen verglichen haben, in denen bei objektiver Beurteilung ernsthafte Zweifel über Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen gegeben waren.

Dieses Vergleichsprivileg ist, so vernünftig es ist, im Moment zweifelhaft, weil der EuGH es in einem Fall nicht anerkannt hat, wo zwei Parteien einen Rechtsstreit mit parallelem Einspruch durch Lizenzvergleich mit Einspruchsrücknahme und Nichtangriffsverpflichtung abgeschlossen hatten. Die EG-Kommission, die in ihrer Patentlizenzverordnung Nichtangriffsverpflichtungen auf die schwarze Liste gesetzt hat, hielt die Nichtangriffsverpflichtung ausnahmsweise nach dem Vergleichsprivileg für zulässig. Der Generalanwalt und ihm folgend der Gerichtshof haben das Vergleichsprivileg abgelehnt und sich auf den Standpunkt gestellt, eine Nichtangriffsverpflichtung in einem Lizenzvertrag sei nach den Umständen nur dann keine Wettbewerbsbeschränkung, sei also gültig, wenn eine Freilizenz erteilt werde oder die Lizenz sich auf ein technisch überholtes Verfahrens beziehe, von dem die nichtangriffsverpflichtete Partei ohnehin keinen Gebrauch mache.

4. Vergleichskosten

Die Vergleichskosten werden dann ein Problem, wenn eine Partei nach längerer Verfahrensdauer um einen Vergleich nachsuchen muß, weil sich für sie ein Verlust des Prozesses abzeichnet. Nicht selten sprechen die Parteien dann unmittelbar miteinander, was sie auch durchaus tun sollen, einigen sich in der Sache, und der Anwalt, der den siegenden Kläger vertritt, erhält die Weisung, die Klage zurückzunehmen. Der Anwalt rechnet den Prozeß ab und der Sieger in der Sache, der seinem Gegner großmütig den Vergleich konzediert hatte, findet, daß der Gegner eigentlich die Kosten zahlen müßte. Zu spät: wenn sich die Parteien über den Kostenpunkt nicht anderweit geeinigt haben, gelten nach § 98 ZPO die Kosten gegeneinander als aufgehoben. Das bedeutet: Die Gerichtskosten werden geteilt, und jede Partei trägt ihre eigenen außergerichtlichen, insbesondere also ihre eigenen Anwaltskosten. Weil die Gerichtskosten geteilt werden und der Kläger einen Gerichtskostenvorschuß bei seiner Klage leisten mußte, kann es bei einem Siegvergleich für den Beklagten sogar sein, daß der großmütige Beklagte dem Kläger noch etwas erstatten muß, nämlich die Hälfte der vorgeschossenen Gerichtskosten.

Man sollte den Kostenpunkt daher nicht vergessen, sondern entweder bewußt regeln oder bewußt außer Acht lassen, damit die Kostenaufhebung nach § 98 ZPO gilt. Kann man sich über den Kostenpunkt gar nicht einigen, so kann man ihn auch nach Maßgabe der Erfolgschancen nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand dem Gericht überlassen. Man einigt sich auf einverständliche Erledigungserklärung und Kostenentscheidung durch das Gericht nach § 91 a ZPO nach billigem Ermessen.

Der Anwalt, der beim Vergleichsschluß mitwirkt, und sei es auch nur beratend, erhält nach § 23 BRAGO eine 10/10 Vergleichsgebühr aus dem Streitwert. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Vergleich gerichtlich oder außergerichtlich geschlossen wird. Bei Gericht hingegen hat man den Gebührenanfall mit Schwergewicht auf das Urteil gelegt: Das Gericht erhält eine Verfahrensgebühr und zwei Urteilsgebühren. Kommt vorher ein Vergleich zustande, so sind die Parteien zwar mit der Anwaltsvergleichsgebühr belastet, aber um die zwei Urteilsgebühren entlastet. Mit dieser Gebührenverteilung will der Gesetzgeber Vergleich fördern. Die Vergleichsgebühr fällt aber nur an bei einem echten Vergleich mit gegenseitigem Nachgeben, nicht bei einseitiger Unterwerfung.

III. Fazit für die Praxis

1. Ist die Rechtslage unsicher, so sollte man einen Vergleich möglichst frühzeitig suchen, bevor die Lösung mit Verfahrenskosten überbelastet ist. Dabei tun sich beide Parteien im Anfangsstadium häufig deshalb schwer, weil sie nicht durch Vergleichsbereitschaft dem Gegner gleich zu Anfang Schwächezeichen signalisieren wollen. Man kann das vermeiden, indem man ein Vergleichsangebot zugleich mit dem Entwurf einer Klage übersendet.

2. Hat man in einer Instanz gewonnen, so ist für den Sieger ein Vergleichsangebot in dieser Situation immer erwägenswert, denn selbst bei vermeintlich sicherer Rechtslage ist die nächste Instanz nie völlig sicher und immer mit nicht ersatzfähigem Zeit- und Kostenaufwand beladen.

3. Auch bei einer völlig sicheren Rechtslage soll man einen Vergleich erwägen, wenn er einen Zugewinn bringt, z.B. vergleichsweiser Nachlaß von einem eindeutigem Zahlungsanspruch, wenn zusätzlich zum Schuldner GmbH der Geschäftsführer persönlich die Mithaftung übernimmt.

4. Der Angegriffene in einer klaren Unterliegenssituation muß sich überlegen, ob er den Rechtsstreit durch einseitige Unterlassungserklärung ohne anwaltliche Vergleichskosten erledigt oder ob er vergleichsweise eine Aufbrauchsfrist braucht und daher in den Vergleich und die Vergleichskosten beißen muß.

5. Eine ungeschriebene Regel des geschäftlichen Anstands, die aber keinerlei Gesetzeskraft besitzt, geht dahin, daß außergerichtliche Vergleichskonzessionen bei gescheiterten Vergleichsgesprächen nicht vor Gericht gehören.

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