Wer hat die eidesstattliche Versicherung
auf die Richtigkeit einer Auskunft zu leisten?

Dr. Matthias Brandi-Dohrn, Rechtsanwalt

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1. Das Problem

Aus unternehmerischem Handeln ergeben sich häufig Auskunftsverpfichtungen z.B. aus Vermögensverwaltung, über provisionspflichtige Umstände, aus Lizenzvertrag, aus Schutzrechtsverletzung oder gegenüber Arbeitnehmern über erfinderrechtlich vergütungspflichtige Umsätze bis hin zu Produktgewinnen. Es besteht, teils überlagert durch sondergesetzliche Ansprüche (z.B. § 87 c HGB bei Handelsvertretern; bei Schutzrechtsverletzungen: § 140 b PatG, § 24 b GebrMG, § 19 MarkenG, § 101 UrhG nach dem ProduktpiraterieG), eine generelle Auskunftspflicht nach § 242 BGB, "wenn das Wesen des Schuldverhältnisses es mit sich bringt, daß der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang des Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann". Auf die Richtigkeit der Rechnungslegung oder Auskunft ist die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB zu leisten, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die in der Auskunft oder Rechnung enthaltenen Angaben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind und unrichtig sind. Begründete Zweifel an der Richtigkeit einer Auskunft werden angenommen, wenn eine frühere Auskunft berichtigt werden mußte oder bei nachhaltig unbegründetem Bestreiten der Auskunftspflicht.

Ist der Auskunftsschuldner ein arbeitsteilig organisiertes größeres Unternehmen, so erhebt sich die Frage, ob bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft diejenigen, die die Auskunft zusammengestellt haben, oder der Geschäftsführer oder Vorstand des Unternehmens verpflichtet ist, die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB abzugeben.

Es liegt auf der Hand, daß gerade bei Großunternehmen der Vorstand so detailfern ist, daß er aus eigenem Wissen zu der Auskunft nichts beitragen kann.

2. Meinungsstand

Die derzeit herrschende Meinung geht dahin, daß die eidesstattliche Versicherung durch das Gesellschaftsorgan, also den Geschäftsführer oder Vorstand zu leisten ist und - anders als die Auskunft selbst - nicht durch Hilfspersonen geleistet werden kann. Begründet wird das damit, daß es für die Richtigkeitsgewähr der Auskunft von Gesetzes wegen keine Bucheinsicht gibt, sondern nur die eidesstattliche Versicherung. Die eidesstattliche Versicherung als einziges Zwangsmittel sei dann aber höchstpersönliche Pflicht des Schuldners. Sie ist aber auch nicht so höchstpersönlich, daß sie nicht auf den Erben übergeht. Der Tatsachenferne des Schuldners könne durch sachgerechte Fassung der Versicherung Rechnung getragen werden, z.B. "daß und in welchem Umfang er die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft habe und daß er die Aufstellung nach bestem Wissen so vollständig berichtigt und ergänzt habe, als er dazu imstande sei".

3. Mißstände aus der herrschenden Meinung

Dem prozessualen Praktiker ist der Mißstand aus der herrschenden Meinung völlig geläufig, auch wenn er nirgendwo ausgesprochen worden ist: für einen vorteilhaften Vergleich über die Anspruchshöhe selbst, welche die Auskunft vorbereiten soll, ist es ein phantastisches Druckmittel, wenn man den Vorstand einer großen Gesellschaft zur Ableistung der eidesstattlichen Versicherung persönlich vor Gericht zitieren kann. Der Vorstand ist für die Gesamtheit des Unternehmens da und nicht für Details. Ihm strafrechtliche Verantwortung für die Richtigkeit von Details, die er nicht kennt, zu überbürden, ist eine nicht zu vermittelnde Zumutung. Diese Zumutung ist ein Vergleichspressionsmittel, das mit "Recht" wenig zu tun hat, das der versierte Praktiker aber in unschuldiger Rechtstreue spielen läßt.

4. Abhilfe: Analogie zum alten Wirtschaftsprüfervorbehalt

Der Sinn der eidesstattlichen Versicherung ist weniger, wie es in verschiedenen Urteilen heißt das einzige Zwangsmittel zu sein, sondern vielmehr eine Richtigkeitsgewähr zu bieten. Die Richtigkeitsgewähr wird durch eine strikte Höchstpersönlichkeit nicht geleistet. Denn die höchste Stelle, der Vorstand, kann nur seinen Leuten glauben. Er muß etwas versichern, was andere für ihn aufbereitet haben. Er ist daher "nach bestem Wissen" nur zu der Auskunft imstande, die seine Leute ihm zusammengestellt haben. Leistet er die Versicherung in diesem Sinne, so ist er praktisch nie wegen falscher eidesstattlicher Versicherung strafbar und §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB gehen über einen Belästigungswert nicht wirklich hinaus. Oder seine Versicherung und Verantwortung soll sich auf den Inhalt selbst beziehen: Dann wird von ihm regelmäßig etwas Unmögliches verlangt, und die Gesetzesanwendung würde bei der anschließenden Strafsanktion gegen den Grundsatz "nulla poena sine culpa" verstoßen.

Die Richtigkeitsgewähr erlaubt andererseits aber auch keine völlig freie Vertretung in der Eidesleistung, denn es darf dem Unternehmen auch nicht gestattet sein, für Auskunftsverpflichtungen irgendeinen beliebigen "Sitzredakteur" zur Verfügung zu stellen.

Eine sachgerechte Mittellösung ergibt sich auf der gleichen rechtlichen Basis der Auskunftsbegrenzung aus Treu und Glauben nach § 242 BGB, aus der früher die Auskunft über Abnehmernamen nur an einen Wirtschaftsprüfer zugesprochen wurden (sogenannter Wirtschaftsprüfervorbehalt). Ebenso wie die Auskunft, abgesehen von Sondervorschriften, auf Treu und Glauben gründet und aus Treu und Glauben z.B. durch den Wirtschaftsprüfervorbehalt begrenzt ist, ebenso muß das Hilfsmittel für ihre Richtigkeit, die eidesstattliche Versicherung, begrenzt werden. Das bedeutet: der Auskunftsschuldner kann beantragen, gegebenenfalls hilfsweise, ihm nachzulassen, die eidesstattliche Versicherung auf die Richtigkeit der Auskunft durch bestimmte benannte Angestellte leisten zu dürfen. Legt der Schuldner glaubhaft dar, daß diese als Autoren und durch Sachnähe eine vernünftige Richtigkeitsgewähr bieten, so läßt das Gericht sie anstelle des Vorstands zu, also in einer quasi gerichtlich kontrollierten Vertretung. Das entspricht dem Sinn der "Versicherung", nämlich die Auskunft sicher zu machen durch Übernahme einer strafrechtlichen Verantwortung. Diese inhaltliche Verantwortung kann und soll sinnvollerweise derjenige übernehmen, der der Autor der Auskunft ist. Verweigert die Hilfsperson den Eid oder erweist sie sich als nicht hinreichend kompetent für den Inhalt der Auskunft, so ist die Ersetzungsbefugnis des Organs als Primärschuldner fehlgeschlagen. Da ihm nur nachgelaseen wird, die Auskunft durch seine qualifizierte Hilfsperson zu versichern, die Eidespflicht aber nicht ein für alle mal auf diese Hilfsperson übertragen ist, wäre es nun wiederum Sache des Organs als Primärschuldner, die eidesstattliche Versicherung zu leisten.

Für den Regelfall würde mithin durch eine entsprechende Anwendung des alten Wirtschaftsprüfervorbehalts bei der Auskunftsversicherung die Ausnutzung eines unverhältnismäßigen Belästigungspotentials, um Vergleichsdruck auszuüben, ausgeschaltet.

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